Dienstag, 3. Januar 2017

Kulturelle Unterschiede Schweiz - Myanmar



Ein paar kulturelle Unterschiede

Die letzten Wochen haben uns wieder vermehrt vor Augen geführt, welche kulturellen Unterschiede es zwischen der Schweiz und Myanmar geben kann. Natürlich gibt es sehr viele. Wir beschränken uns hier nur auf ein paar wenige.

Essen:

Wenn man in der Gesellschaft isst (Restaurant oder Einladung), teilt man sich die Speisen. Die Schälchen werden in der Mitte des Tischs aufgestellt und alle erhalten einen persönlichen Teller mit Reis. Die Speisen kann man dann nach Wahl auf den eigenen Teller füllen. Aber Achtung, es gibt eine sehr wichtige Regel zu beachten! Die Hierarchie. Man darf eine Speise erst berühren, wenn die höchste Person am Tisch dieses Schälchen frei gegeben hat. Man kann also entweder darauf warten, bis sich diese Person einen Happen davon genommen hat, dann darf man sich selber auch bedienen. Oder aber – und das ist noch höflicher – man bedient diese Person als erste und erbietet ihm / ihr somit den Respekt und die Anerkennung. Danach kann man alle Gäste der Hierarchie nach bedienen. Sich selbst nimmt man meist zuletzt. Und eigentlich sollte die „niedrigste“ Person am Tisch oder der / die Gastgeber/in dieses Bedienen vollführen. Gegessen wir entweder mit Stäbchen oder mit Löffel und Gabel. Messer gibt es nie. Das Essen ist schon so vorbereitet, dass man es nicht verkleinern muss. Falls man mit Löffel und Gabel isst, nimmt man den Löffel in die rechte Hand, mit welcher man auch isst. Die Gabel in der linken Hand dient dazu, den Löffel zu beladen. 

Wenn man eingeladen ist, muss man sehr darauf achten, dass man seinen eigenen, persönlichen Teller leer isst. Ansonsten ist man sehr unhöflich und will sagen, dass es nicht geschmeckt hat. Die Schälchen in der Mitte des Tisches dürfen aber noch Reste drin haben, das ist kein Problem. Diese Reste essen dann die Gastgeber selber noch auf. Denn diese essen nämlich nicht mit, sondern warten, bis die Gäste fertiggegessen haben, um sicherzugehen, dass es genügend zu Essen gibt. Erst dann verstecken sie sich in der Küche und essen sehr schnell und heimlich ihre Mahlzeit. Im Restaurant hingegen ist das Ausessen kein Problem, denn schliesslich bezahlt man für die Dienste.


(Foto von Flurina Schneider 2016)



„You are fat!“

„Oh, you are more fat now!“ oder “You see the fat man over there? He is my friend.”
Von „fat“ (dick) zu sprechen ist hier keineswegs eine Beleidigung. Damit wird lediglich ausgedrückt, dass man halt etwas mehr Speck auf den Rippen hat. Es ist ein Fakt, keine Beleidigung. In vielen Fällen ist es sogar ein Kompliment um zu sagen, dass man gesünder aussehe.

Bekleidung am Strand:

Männer dürfen am Strand und beim Schwimmen rumlaufen, wie sie wollen. Zwar haben auch diese manchmal Hemmungen und behalten das T-Shirt an. Aber für Frauen ist das anders. Frauen sollten am Strand und beim Schwimmen auf jeden Fall Hosen und ein T-Shirt tragen. Ob es kurze oder lange Hosen sind, kommt eher auf die „Moderne“ der Frau an. Und ob das T-Shirt Ärmel hat oder nicht, kommt auch auf deren Mentalität an. Wenn ich als weisse Frau meine burmesischen Kolleginnen frage, ob ich kurze Hosen und ein Spaghetti-Träger-Shirt tragen kann, dann sagen sie: „Yes, of course! You are a foreigner.“ Wenn ich sei dann aber frage, ob sie das Gleiche tun würden, dann sagen sie entsetzt: „No, of course not!“ :-)



(3. Foto: von Flurina Schneider 2016)


Wenn man also als weisse Touristin am Strand im Bikini rumlaufen würde, würde niemand etwas sagen. Aber es wäre für die Burmesen sehr befremdend. Ausser an wenigen Touristenstränden wie Ngapali, wo es inzwischen normal ist, sieht man eigentlich nie Bikinis.


Aufstehen am Morgen:

Burmesen sind ganz klar Morgenmenschen. Das macht gerade mir etwas Mühe, vor allem, wenn wir ins Feld gehen. Letzte Woche war ich mit meiner Assistentin im Süden von Myanmar, um Interviews zu führen und an einem Workshop teilzunehmen. Sie weiss, dass ich ein Abendmensch bin. Und ich weiss, dass sie ein Morgenmensch ist. Wir haben uns auch recht gut aneinander angepasst. Aber es war trotzdem sehr auffällig. Wenn wir abgemacht haben, dass wir um halb sieben aufstehen, dann musste ich mir einen Wecker stellen. Als ich sie fragte, ob sie keinen Wecker stelle, meinte sie nur, dass wir ja sehr spät aufstünden und sie sowieso wach sein werde. Sie brauche nur einen Wecker, wenn sie mal früh aufstehen müsse, so um vier oder fünf Uhr morgens…!! Mir blieben die Worte weg… :-)

Verkauf im Zug:

In der Schweiz gibt es im Zug die Minibar und häufig auch einen eigens dafür eingerichteten Speisewagen. In Myanmar gibt es nichts derart Organisiertes und Lizenziertes. Egal ob Lang- oder Kurzstrecke, verkaufen kann jeder jederzeit an jedem Ort. An Haltestellen bricht ein riesen Tumult los, wen der Zug einfährt. Waren werden durch die offenen Zugfenster verkauft und gekauft. Auf dem Land sind dies oft Gemüse, Früchte, Blumen, gekochte Speisen und Getränke. In der Stadt sind es eher Snacks, Getränke und Tabak-/Kauwaren. Diejenigen Verkäufer, die etwas länger die starke Kaufkraft der Zuggäste ausnutzen möchten (und häufige Zugverbindungen haben), steigen ebenfalls mit ihren Taschen, Schüsseln und Körben in den Zug ein und wandern im Zug auf und ab, bis sie an der nächsten Haltestelle wieder aussteigen und zurückfahren. In den abgelegenen Orten undenkbar, da nur 1 Mal am Tag ein Zug vorbeikommt. 





SBB Catering Services würden sich in der Schweiz wohl etwas ärgern, wenn zwischen Bern und Zürich Frauen mit 10kg gekochten Maiskolben auf dem Kopf schreiend den Zug auf und ab gehen würden…

Preisdifferenz:

Grundsätzlich bezahlen weisse Ausländer deutlich mehr für Services als Einheimische. Bei einer Flussüberquerung mit der Fähre kann dies ein Zehnfaches sein (2 CHF anstatt 20 Rappen), beim Inlandflug das Doppelte (70 CHF anstatt 35 CHF) und im Hotel auch ungefähr ein Drittel mehr. 

Warum wohl? Die Antwort lautet immer: „For your own safety.“ Meine Antwort darauf: „Oh, I see.“ und nicke, schliesslich muss man ja dankbar sein, dass sie sich um unsere Sicherheit kümmern. Aber wirklich verstehen tue ich es trotzdem nicht. Bei der Übernachtung wurde mir mal erklärt, dass wir Ausländer mehr bezahlen, weil es für das Hotelmanagement ein deutlicher Mehraufwand sei. Anscheinend müssen Hotels eine Prüfung bestehen, um überhaupt Ausländer aufnehmen zu dürfen. Auch müssen sie bei jedem übernachtenden Ausländer einen Bericht an die Regierung erstatten und dafür sorgen, dass das Gelände sicher ist und dem werten Ausländer nichts passiert. Eben, ein deutlicher Mehraufwand. Ich frage mich dann immer, ob sie wohl auch bei Thailändern, Laoten, Chinesen etc. sehen, ob dies Ausländer sind, oder ob diese Gäste ab und zu schummeln…?

Füsse hoch heben:

Wenn man sitzt, sollte man genau darauf achten, in welche Richtung die Füsse zeigen. Die Fusssohlen sollten niemals gegen eine höher gestellt Person und schon gar nicht gegen Buddha gerichtet sein. Also immer aufpassen, wer oder was sonst noch im Raum ist. Am sichersten sitzt man auf einem Stuhl immer aufrecht mit den Knien zu 90° angewinkelt, damit die Fusssohlen auf dem Boden bleiben. Sitzt man am Boden, ist der Schneidersitz oder das Knien angebracht (für uns unbeweglichen Langbeiner nach einer Weile eine echte Herausforderung!). Die Füsse irgendwo hochheben und somit extrem offensichtlich die Fusssohlen auf etwas richten, sollte man nur, wenn man unter seinesgleichen ist oder auf jeden Fall die Füsse abgewandt von allen ausstrecken.





Berufliche Treffen – Sitzordnung, Eröffnungs- und Schlussrede, Widersprüche:

Ist man in einem beruflichen Meeting, muss man sehr stark auf die Sitzordnung achten, egal wie gross die Gruppe ist. Die wichtigsten Personen sitzen immer am Kopf der Tischgruppe. Wenn es keine Tische hat (wie meistens in den Dörfern) und die Personen vorwiegend am Boden sitzen, dann sollten die höheren Sitzgelegenheiten (Podeste, vereinzelte Stühle) den wichtigen Personen zugeteilt werden. Befindet man sich nun also kurz vor dem Beginn eines Berufs-Meetings, dann drücken sich alle etwas darum herum, als erste abzusitzen. Man bleibt dann oft noch stehen, bis alle anwesend sind und man weiss, wie viele „hohe Tiere“ dabei sind, dann kann man die Stühle abzählen und dort sitzen, wo man seinen eigenen Rang einschätzt. Am besten wartet man aber sowieso, bis eine der höheren Personen einen dazu einlädt, abzusitzen. Vorher sollte man besser noch stehen bleiben. Auch sollten die Einheiten niemals getrennt voneinander sitzen. Alle „Teams“ müssen zusammensitzen. Ansonsten kommt dies einem Ausstoss gleich und vermittelt Widerwillen gegen einzelne Personen.

Bei solch einem beruflichen Treffen gibt es auch ganz klare Regeln in der Abfolge der Traktanden. Es gibt fast immer einen „master of ceremony“, der/die als erstes das Wort ergreift, alle willkommen heisst und die Traktanden erklärt. Danach übergibt sie/er das Wort immer als Erstes der höchsten anwesenden Person. Diese Person sollte das Treffen eröffnen und eine motivierende Kurzrede halten. Danach werden die Traktanden der Reihe nach abgewickelt. Am Schluss muss auch diese höchste Person wieder eine kurze Abschlussrede halten.

Jemandem der hohen Personen in solch einem Meeting zu widersprechen ist zudem auch beinahe unmöglich. Schlägt eine der „Hoheiten“ etwas vor, kann man dies höchstens noch leicht ergänzen (natürlich nur mit deren Einverständnis), aber grundsätzliche Änderungen sind fast unmöglich. Somit ist es geschickt, wenn man wichtige Punkte VOR dem Meeting mit den Ranghöchsten bespricht und die Gedanken dieser Personen so mitgestalten kann. Wenn sie denn überhaupt Zeit und Lust dazu haben…

Das Gleiche gilt übrigens auch im Auto. Je wichtiger man ist, desto weiter vorne darf man sitzen. Die wichtigste Person im Auto sollte neben dem Fahrer sitzen (eine Fahrerin haben wir übrigens noch nie gesehen). Uns "Weissen" ist es fast unmöglich, ganz hinten im Auto zu sitzen... Auch bei der Forschungsreise hätten uns unsere lieben Kolleginnen niemals hinten sitzen lassen.

 
Hymne:

Befindet man sich in einer Regierungseinrichtung, dann ertönt am Ende des Arbeitstages die Nationalhymne aus Lautsprechern (und vermutlich auch zu Beginn des Tages, aber das haben wir noch nicht miterlebt). Alle anwesenden Personen müssen zu diesem Zeitpunkt im Freien stehen (also schon etwas vorher aus den Büroräumlichkeiten heraustreten), in Reih und Glied gerade stehen, mit dem Gesicht zum Lautsprecher, und mit erhobenem Kopf zuhören. Wenn die Hymne vorbei ist, verneigt man sich.