Ein paar kulturelle
Unterschiede
Die letzten Wochen haben uns wieder vermehrt vor Augen
geführt, welche kulturellen Unterschiede es zwischen der Schweiz und Myanmar
geben kann. Natürlich gibt es sehr viele. Wir beschränken uns hier nur auf ein
paar wenige.
Essen:
Wenn man in der Gesellschaft isst (Restaurant oder
Einladung), teilt man sich die Speisen. Die Schälchen werden in der Mitte des
Tischs aufgestellt und alle erhalten einen persönlichen Teller mit Reis. Die
Speisen kann man dann nach Wahl auf den eigenen Teller füllen. Aber Achtung, es
gibt eine sehr wichtige Regel zu beachten! Die Hierarchie. Man darf eine Speise
erst berühren, wenn die höchste Person am Tisch dieses Schälchen frei gegeben
hat. Man kann also entweder darauf warten, bis sich diese Person einen Happen
davon genommen hat, dann darf man sich selber auch bedienen. Oder aber – und
das ist noch höflicher – man bedient diese Person als erste und erbietet ihm /
ihr somit den Respekt und die Anerkennung. Danach kann man alle Gäste der
Hierarchie nach bedienen. Sich selbst nimmt man meist zuletzt. Und eigentlich
sollte die „niedrigste“ Person am Tisch oder der / die Gastgeber/in dieses
Bedienen vollführen. Gegessen wir entweder mit Stäbchen oder mit Löffel und
Gabel. Messer gibt es nie. Das Essen ist schon so vorbereitet, dass man es
nicht verkleinern muss. Falls man mit Löffel und Gabel isst, nimmt man den
Löffel in die rechte Hand, mit welcher man auch isst. Die Gabel in der linken
Hand dient dazu, den Löffel zu beladen.
Wenn man eingeladen ist, muss man sehr darauf achten, dass
man seinen eigenen, persönlichen Teller leer isst. Ansonsten ist man sehr
unhöflich und will sagen, dass es nicht geschmeckt hat. Die Schälchen in der
Mitte des Tisches dürfen aber noch Reste drin haben, das ist kein Problem.
Diese Reste essen dann die Gastgeber selber noch auf. Denn diese essen nämlich
nicht mit, sondern warten, bis die Gäste fertiggegessen haben, um
sicherzugehen, dass es genügend zu Essen gibt. Erst dann verstecken sie sich in
der Küche und essen sehr schnell und heimlich ihre Mahlzeit. Im Restaurant hingegen
ist das Ausessen kein Problem, denn schliesslich bezahlt man für die Dienste.
(Foto von Flurina Schneider 2016)
„You are fat!“
„Oh, you
are more fat now!“ oder “You see the
fat man over there? He is my
friend.”
Von „fat“ (dick) zu sprechen ist hier keineswegs eine
Beleidigung. Damit wird lediglich ausgedrückt, dass man halt etwas mehr Speck
auf den Rippen hat. Es ist ein Fakt, keine Beleidigung. In vielen Fällen ist es
sogar ein Kompliment um zu sagen, dass man gesünder aussehe.
Bekleidung am
Strand:
Männer dürfen am Strand und beim Schwimmen rumlaufen, wie
sie wollen. Zwar haben auch diese manchmal Hemmungen und behalten das T-Shirt
an. Aber für Frauen ist das anders. Frauen sollten am Strand und beim Schwimmen
auf jeden Fall Hosen und ein T-Shirt tragen. Ob es kurze oder lange Hosen sind,
kommt eher auf die „Moderne“ der Frau an. Und ob das T-Shirt Ärmel hat oder
nicht, kommt auch auf deren Mentalität an. Wenn ich als weisse Frau meine
burmesischen Kolleginnen frage, ob ich kurze Hosen und ein
Spaghetti-Träger-Shirt tragen kann, dann sagen sie: „Yes, of course! You are a
foreigner.“ Wenn ich sei dann aber frage, ob sie das Gleiche tun würden, dann
sagen sie entsetzt: „No, of course not!“ :-)
(3. Foto: von Flurina Schneider 2016)
Wenn man also als weisse Touristin am Strand im Bikini
rumlaufen würde, würde niemand etwas sagen. Aber es wäre für die Burmesen sehr
befremdend. Ausser an wenigen Touristenstränden wie Ngapali, wo es inzwischen
normal ist, sieht man eigentlich nie Bikinis.
Aufstehen am
Morgen:
Burmesen sind ganz klar Morgenmenschen. Das macht gerade mir
etwas Mühe, vor allem, wenn wir ins Feld gehen. Letzte Woche war ich mit meiner
Assistentin im Süden von Myanmar, um Interviews zu führen und an einem Workshop
teilzunehmen. Sie weiss, dass ich ein Abendmensch bin. Und ich weiss, dass sie
ein Morgenmensch ist. Wir haben uns auch recht gut aneinander angepasst. Aber
es war trotzdem sehr auffällig. Wenn wir abgemacht haben, dass wir um halb
sieben aufstehen, dann musste ich mir einen Wecker stellen. Als ich sie fragte,
ob sie keinen Wecker stelle, meinte sie nur, dass wir ja sehr spät aufstünden
und sie sowieso wach sein werde. Sie brauche nur einen Wecker, wenn sie mal
früh aufstehen müsse, so um vier oder fünf Uhr morgens…!! Mir blieben die Worte
weg… :-)
Verkauf im Zug:
In der Schweiz gibt es im Zug die Minibar und häufig auch
einen eigens dafür eingerichteten Speisewagen. In Myanmar gibt es nichts derart
Organisiertes und Lizenziertes. Egal ob Lang- oder Kurzstrecke, verkaufen kann
jeder jederzeit an jedem Ort. An Haltestellen bricht ein riesen Tumult los, wen
der Zug einfährt. Waren werden durch die offenen Zugfenster verkauft und
gekauft. Auf dem Land sind dies oft Gemüse, Früchte, Blumen, gekochte Speisen
und Getränke. In der Stadt sind es eher Snacks, Getränke und Tabak-/Kauwaren. Diejenigen
Verkäufer, die etwas länger die starke Kaufkraft der Zuggäste ausnutzen möchten
(und häufige Zugverbindungen haben), steigen ebenfalls mit ihren Taschen,
Schüsseln und Körben in den Zug ein und wandern im Zug auf und ab, bis sie an
der nächsten Haltestelle wieder aussteigen und zurückfahren. In den abgelegenen
Orten undenkbar, da nur 1 Mal am Tag ein Zug vorbeikommt.
SBB Catering Services
würden sich in der Schweiz wohl etwas ärgern, wenn zwischen Bern und Zürich Frauen
mit 10kg gekochten Maiskolben auf dem Kopf schreiend den Zug auf und ab gehen
würden…
Preisdifferenz:
Grundsätzlich bezahlen weisse Ausländer deutlich mehr für Services
als Einheimische. Bei einer Flussüberquerung mit der Fähre kann dies ein
Zehnfaches sein (2 CHF anstatt 20 Rappen), beim Inlandflug das Doppelte (70 CHF
anstatt 35 CHF) und im Hotel auch ungefähr ein Drittel mehr.
Warum wohl? Die
Antwort lautet immer: „For your own safety.“ Meine Antwort darauf: „Oh, I see.“
und nicke, schliesslich muss man ja dankbar sein, dass sie sich um unsere
Sicherheit kümmern. Aber wirklich verstehen tue ich es trotzdem nicht. Bei der
Übernachtung wurde mir mal erklärt, dass wir Ausländer mehr bezahlen, weil es
für das Hotelmanagement ein deutlicher Mehraufwand sei. Anscheinend müssen
Hotels eine Prüfung bestehen, um überhaupt Ausländer aufnehmen zu dürfen. Auch
müssen sie bei jedem übernachtenden Ausländer einen Bericht an die Regierung
erstatten und dafür sorgen, dass das Gelände sicher ist und dem werten
Ausländer nichts passiert. Eben, ein deutlicher Mehraufwand. Ich frage mich
dann immer, ob sie wohl auch bei Thailändern, Laoten, Chinesen etc. sehen, ob
dies Ausländer sind, oder ob diese Gäste ab und zu schummeln…?
Füsse hoch heben:
Wenn man sitzt, sollte man genau darauf achten, in welche
Richtung die Füsse zeigen. Die Fusssohlen sollten niemals gegen eine höher
gestellt Person und schon gar nicht gegen Buddha gerichtet sein. Also immer
aufpassen, wer oder was sonst noch im Raum ist. Am sichersten sitzt man auf
einem Stuhl immer aufrecht mit den Knien zu 90° angewinkelt, damit die
Fusssohlen auf dem Boden bleiben. Sitzt man am Boden, ist der Schneidersitz
oder das Knien angebracht (für uns unbeweglichen Langbeiner nach einer Weile
eine echte Herausforderung!). Die Füsse irgendwo hochheben und somit extrem
offensichtlich die Fusssohlen auf etwas richten, sollte man nur, wenn man unter
seinesgleichen ist oder auf jeden Fall die Füsse abgewandt von allen
ausstrecken.
Berufliche Treffen
– Sitzordnung, Eröffnungs- und Schlussrede, Widersprüche:
Ist man in einem beruflichen Meeting, muss man sehr stark
auf die Sitzordnung achten, egal wie gross die Gruppe ist. Die wichtigsten
Personen sitzen immer am Kopf der Tischgruppe. Wenn es keine Tische hat (wie
meistens in den Dörfern) und die Personen vorwiegend am Boden sitzen, dann
sollten die höheren Sitzgelegenheiten (Podeste, vereinzelte Stühle) den
wichtigen Personen zugeteilt werden. Befindet man sich nun also kurz vor dem Beginn
eines Berufs-Meetings, dann drücken sich alle etwas darum herum, als erste
abzusitzen. Man bleibt dann oft noch stehen, bis alle anwesend sind und man
weiss, wie viele „hohe Tiere“ dabei sind, dann kann man die Stühle abzählen und
dort sitzen, wo man seinen eigenen Rang einschätzt. Am besten wartet man aber
sowieso, bis eine der höheren Personen einen dazu einlädt, abzusitzen. Vorher
sollte man besser noch stehen bleiben. Auch sollten die Einheiten niemals
getrennt voneinander sitzen. Alle „Teams“ müssen zusammensitzen. Ansonsten
kommt dies einem Ausstoss gleich und vermittelt Widerwillen gegen einzelne
Personen.
Bei solch einem beruflichen Treffen gibt es auch ganz klare
Regeln in der Abfolge der Traktanden. Es gibt fast immer einen „master of
ceremony“, der/die als erstes das Wort ergreift, alle willkommen heisst und die
Traktanden erklärt. Danach übergibt sie/er das Wort immer als Erstes der
höchsten anwesenden Person. Diese Person sollte das Treffen eröffnen und eine
motivierende Kurzrede halten. Danach werden die Traktanden der Reihe nach
abgewickelt. Am Schluss muss auch diese höchste Person wieder eine kurze
Abschlussrede halten.
Jemandem der hohen Personen in solch einem Meeting zu
widersprechen ist zudem auch beinahe unmöglich. Schlägt eine der „Hoheiten“
etwas vor, kann man dies höchstens noch leicht ergänzen (natürlich nur mit
deren Einverständnis), aber grundsätzliche Änderungen sind fast unmöglich. Somit
ist es geschickt, wenn man wichtige Punkte VOR dem Meeting mit den Ranghöchsten
bespricht und die Gedanken dieser Personen so mitgestalten kann. Wenn sie denn
überhaupt Zeit und Lust dazu haben…
Das Gleiche gilt übrigens auch im Auto. Je wichtiger man
ist, desto weiter vorne darf man sitzen. Die wichtigste Person im Auto sollte
neben dem Fahrer sitzen (eine Fahrerin haben wir übrigens noch nie gesehen). Uns "Weissen" ist es fast unmöglich, ganz hinten im Auto zu sitzen... Auch bei der Forschungsreise hätten uns unsere lieben Kolleginnen niemals hinten sitzen lassen.
Hymne:
Befindet man sich in einer Regierungseinrichtung, dann
ertönt am Ende des Arbeitstages die Nationalhymne aus Lautsprechern (und
vermutlich auch zu Beginn des Tages, aber das haben wir noch nicht miterlebt).
Alle anwesenden Personen müssen zu diesem Zeitpunkt im Freien stehen (also schon
etwas vorher aus den Büroräumlichkeiten heraustreten), in Reih und Glied gerade
stehen, mit dem Gesicht zum Lautsprecher, und mit erhobenem Kopf zuhören. Wenn
die Hymne vorbei ist, verneigt man sich.